Jungs- und Mädchenspielzeug – Eine Einschätzung

Die Thematik ploppt ja immer mal wieder auf. So auch neulich, wo die Frage im Raum stand, ob man sich als erwachsener Mann Puppen kaufen soll. Oder wenn die Herren der Schöpfung mal wieder zu mir kommen um mir mitzuteilen, dass sie darüber verwundert sind, dass ich als Frau Actionfiguren und insbesondere Masters of the Universe sammele.

Ich war als Kind eigentlich einfach für Spielzeug aller Art zu begeistern. Matchboxautos, Puppen, Lego, Ritterburg, Esbitofen, Schminkköfferchen, Fernlenkboote, Gameboy, vollkommen egal, ich hab mit allem gespielt, was mir in die Finger kam. Und ich hatte auch keine Restriktionen. Nie habe ich so Sätze gehört wie „Das ist doch was für Jungs!“ Ich habe mir das Barbie Traumschiff gewünscht und gleichzeitig Playmobil Ritter. Das war was vollkommen Normales. Ich kannte Kinder, die nicht mit dem Spielzeug des anderen Geschlechts spielen wollten, weil sie das langweilig fanden, aber mich hat einfach alles interessiert. Es gab für mich auch kein „Ih, mit Jungs spiel ich nicht!“ im Kindergarten. Wir waren ein bunter Haufen der durch die Büsche und Bäume geklettert ist, um Raumschiff zu spielen. Oder Fuzzy (Western von Gestern). Manchmal durften wir unser Lieblingsspielzeug mit in den Kindergarten bringen und ich hatte einen Gummisaurier dabei, weil der in dem Moment der Coolste war. Sauri hab ich immer noch. Genauso wie meine Knallpistolen und die meisten Plüschtiere, das Barbiehaus im Koffer, die Polly Pocket-Sammlung.

Vermutlich ist das für manche Leute tatsächlich nicht üblich, wenn ich als Frau und Kind der 80er ein Hobby habe, bei dem man eher Männer erwartet. Man weckt auch bestimmte Bilder in den Köpfen der Leute, wenn sie erfahren, was eines meiner Hobbies ist. Manche fühlen sich dann bemüßigt, meinen Charakter daran zu bemessen und es gab auch bereits Unterstellungen nach dem Motto, dass ich ja „nur so tue“ um irgendwie „tough“ zu wirken. Gut, dafür dass das alles eine Scharade ist habe ich das jetzt bemerkenswert lange durchgehalten und auch ziemlich viel Geld dafür ausgegeben, nur um so zu tun als ob 😁, aber ich kann verstehen, dass man Leute verstehen möchte, die man für ungewöhnlich hält.

Es gibt im Comicbereich generell aber auch im Motu-Fandom speziell eine ganze Menge Frauen, denen ich das abkaufe, das Franchise zu mögen, ohne dass das eine Masche ist, mit der sie irgendwas erreichen wollen. Mit der weiteren Verbreitung des Internets wurden das auch immer mehr Frauen, die in dem Bereich sichtbar wurden. Und egal was sie nun im Einzelnen machen, ob sie sammeln, ihre FanArts veröffentlichen oder cosplayen, die haben ja alle ihre Daseinsberechtigung.

Umso wilder finde ich den Ansatz, Männer dafür zu kritisieren, wenn sie weibliche Figuren oder Puppen sammeln. Das kommt vor allem von anderen Männern, die sich in ihrer eigenen Männlichkeit dazu berufen fühlen, auf ihrer Meinung nach nicht so männliche Geschlechtsgenossen zu zeigen um herauszustellen, dass sie selbst viel männlicher sind.

Wenn man Kinder mal einfach machen lässt, denke ich, würde das zwar auch ein bisschen auf das Geschlecht ankommen, womit sie am liebsten spielen, aber vermutlich läge das zu sehr großen Teilen doch am Geschmack – ob das Kind lieber Action mag oder was ruhiges. Und vielleicht ist das ja sogar Tagesformabhängig. Ich halte das jedenfalls für ziemlich förderlich, Kindern die Wahl zu lassen, womit sie am liebsten spielen möchten. Und möglichst unterschiedliche Erfahrungen bereits in der Kindheit zu machen führt am Ende auch am ehesten dazu, dass man aufgeschlossene und kreative Erwachsene bekommt.

Aber wie begegnet man jemandem, der jetzt, im Erwachsenenalter, mit solchen Sprüchen um die Ecke kommt?

Gute Frage. Ich empfinde das immer als ein bisschen doof, wenn jemand zu mir mit meinen 40 Jahren ankommt und mir erzählen möchte, dass das, was ich mache, ja wer weiß wie ungewöhnlich ist und das auch nicht zu mir als Frau passt. Umgekehrt natürlich auch. Ich habe noch ein weiteres, eher männlich assoziiertes Hobby. Ich habe im weitesten Sinne mit Reenactment zu tun und besitze Nachbildungen historischer Rüstungen und Blankwaffen. Und ein bisschen weiß ich auch, wie man die einsetzt. Auch das hat nichts mit irgendeiner Geschlechtererziehung zu tun sondern mit der Tatsache, dass ich bereits als Kind mit meinen Eltern auf Mittelmeerkreuzfahrten war und wir so angefangen haben, eine archäologische Replikensammlung aufzubauen. Das ist purer Zufall und Geschmackssache, dass meine Mutter bei den Ägyptern gelandet ist und ich eher bei den Wikingern und im europäischen Mittelalter. Mir meine Hobbies ungeachtet meines eigenen Geschlechts auszusuchen ist einfach so tief in mir verankert, dass ich mit solchen Sprüchen nichts anfange. Das ist komplett nicht meine Welt, mich da einzuschränken, weil jemand meint, ich müsste das.

Gut, Rückschlüsse auf den Charakter oder die sexuelle Orientierung sind glaube ich zu einem gewissen Grad nicht zu vermeiden. Das sind Klischees und der Mensch funktioniert evolutionär bedingt auf Basis von Klischees. Man muss ja sein Gegenüber interpretieren können um vorauszuahnen, ob der einem ans Mammutleder will, schon klar. Aber ein paar Tausend Jahre nach der letzten Eiszeit können wir uns den Spaß eigentlich erlauben, darauf zu verzichten, Leute egal welchen Geschlechts dafür zu verurteilen, was sie für Hobbies haben. Wer von sich behauptet, ein Motu-Fan zu sein und das trotzdem tut, hat das ganze Konzept von dem Franchise nicht begriffen. Schließlich hat sich irgendeiner der Charaktere nach jeder Folge vor die Kamera gestellt und uns damals erzählt, dass wir zu anderen gefälligst nett sein sollen. Und das einzige, das wirklich peinlich ist sind doch die Leute, die doof kichern und mit dem Finger auf andere zeigen, die ein Hobby gefunden haben, das sie lieben.